Februar 2024 - Heimweh und Fernweh
„Alle haben eine andere Geschichte, und alle sind so,
dass es sich lohnt sie zu hören“ (Lorenz Hippe)
Vor vier Jahren starben neun Menschen bei einem rassistischen Attentat in Hanau, neun Familien verloren ihre Angehörigen. Anlässlich des traurigen Jahrestags am 19. Februar wurden diese Morde noch einmal ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerufen. Erinnert wurde aber auch daran, wie viele rassistische Anschläge bereits seit Jahrzehnten in Deutschland verübt wurden und werden. Es ist das Feindbild des oder der Fremden in seiner ganzen Wahnhaftigkeit, das von interessierter Seite ständig bedient wird, und dem so viele Initiativen, kulturelle Einrichtungen und freundschaftlich-familiäre Verbundenheit im Alltag unermüdlich versuchen entgegenzuwirken.
Im selben Jahr, 2020, entstand in Frankfurt am Main die Idee, eine Theater- und Schreibwerkstatt zum Thema „Heimweh“ für Jugendliche anzubieten, die schon lange hier leben, deren familiärer und kultureller Hintergrund aber kein deutscher ist. Für die Leitung der Werkstätten konnten die Theaterpädagogin Almut Mölk aus Wien und der Lehrer für szenisches Scheiben, Lorenz Hippe, aus Berlin gewonnen werden. An der Teilnahme interessiert waren aber schließlich Menschen zwischen 14 und 74 Jahren, deren Familien unter anderem aus Armenien, Afghanistan, der Ukraine und Griechenland, manchmal auch aus Deutschland stammen.
Zwischen der Planung dieser Initiative und der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse in einer Anthologie, für die rund 30 Beiträge ausgewählt wurden, lagen zwei Jahre – genau die Jahre, in denen die tödlichen Anschläge verübt wurden, die Covideinschränkungen unser Leben lahmlegten und die Ukraine überfallen wurde. Ereignisse, die unser Fühlen und Denken bis heute bestimmen und oft auch verwirren. Was könnte sie besser beschreiben als „Heimat suchen – Geschichten und Szenen von Flucht und Heimweh“.
In den Workshops entstand eine Vielfalt an 30 nachdenklichen, teils schockierenden, manchmal aber auch lustigen Texten – einzelne Szenen, Kurzgeschichten, Tagebuchaufzeichnungen und Gedichte, Songtexte, die das Engagement und die Empathie der Autorinnen und Autoren widerspiegeln. Die Anthologie fasst sie in die Themenbereiche „Flucht“, „Geflohen – und dann?“, „Heimweh - Fernweh“, „Heimweh in Worte fassen“ und „Kleine Lebensfluchten“ zusammen und stellt ihnen didaktisch-methodische Überlegungen aus den Schreibwerkstätten zur Seite.
Damit ist eine wertvolle Materialsammlung für Schulen, Freizeiteinrichtungen und Theater entstanden, die zum einen künstlerisch-kreativ bearbeitet und präsentiert werden darf, und zum anderen Menschen jeden Alters darin bestärken soll, sich auf ihre je eigene, ganz persönliche Weise mit dem Themenkomplex „Heimat – Vertreibung – Heimweh“ auseinanderzusetzen.
Anlässlich des Jahrestags der Hanauer Morde möchten wir Sie heute noch einmal auf diese Anthologie aufmerksam machen, in der auch ein Beitrag zu Hanau enthalten ist.
- „Heimat suchen – Geschichten und Szenen von Flucht und Heimweh (Hrsg. Gerd Müller-Droste / Henning Fangauf, illustriert von Christina Eretier, 130 S., 16,80 Euro brutto)
Wir freuen uns über Ihr Interesse an diesem Werk und natürlich auch über Ihr Interesse an den anderen Titeln unserer Fachbuchreihe auf www.dtver.de / Theaterpädagogik sowie an unseren Theaterstücken.
Ihr
Deutscher Theaterverlag
Gabriele Barth