November 2024 - Liebe, Familie und so weiter …
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie fängt sie denn an – die kleine und die große Liebe? Heutzutage immer öfter mit einer Kontaktanzeige, einer Form der Kontaktaufnahme, die es überraschenderweise schon seit gut 200 Jahren gibt.
Der unvergessene, viel zu früh verstorbene Roger Willemsen hat der literarischen Form „Kontaktanzeige“ ein Theaterstück gewidmet: „Habe Häuschen. Da würden wir leben“, ein abendfüllender Dialog für SIE und IHN – geistreich, leicht und sehr humorvoll.
Ebenso Jürgen von Bülow, der zusammen mit Laura Fetzer in drei kurzen
Szenen die Sehnsüchtigen in Fallen und Fettnäpfchen treten lässt: „Connected“, drei Episoden aus der Welt der Datingportale. Aber ja: Für alle Altersgruppen ist was dabei!
Wenn dann die glücklich Liebenden eine Familie gründen, geht es erst richtig los. Etwa so: Ein Kind ist unterwegs, doch die künftigen Eltern sind komplett überfordert und buchen eine Haushaltshilfe. In Ulrike Zeitz‘ abgründigem Theaterstück „Muskat“ macht sich diese dem jungen Paar schnell unentbehrlich. Aber will sie wirklich nur helfen? Oder geht es hier vielmehr um eine feindliche Übernahme, um „Gaslighting“?
In der Komödie „Kinder, wie die Zeit vergeht“ schildert Gideon Böss die Geburtstagsfeier einer Durchschnittsfamilie. Leider befindet sich im angelieferten Geburtstagspaket statt des bestellten Thermomix eine Bombe. Große Ratlosigkeit. Soll man die behalten? Ist die womöglich nützlich?
Die Diskussion, die sich nun zwischen Vater, Mutter, Sohn und Tochter über die Vor- und Nachteile des Bombenbesitzes entspinnt, ist nur teilweise absurd, denn es wird bald klar, dass die eigentliche Bombe jahrzehntelang gut versteckt in der Familiengeschichte ruhte und jetzt endlich ausgegraben wird.
„Geburtstag“ heißt auch ein Zwei-Personen-Stück von Karin Strauß. Darin geht es um die symbiotische Verbindung zwischen Mutter und Sohn, der sich weigert, sein Zimmer zu verlassen. „Hikikomori“ nennt man in Japan die jungen Männer, die sich einsperren und jeden Kontakt mit der äußeren Welt vermeiden. Ein Phänomen, das auch in westlichen Ländern zu beobachten ist. Dieses Stück wurde bereits als Tanztheater von „Curtis & Co. – dance affairs“ aufgeführt.
Es muss nicht unbedingt die Familie sein, in der es raucht und kracht. Sehr drastisch geht es zu in „Eine Feier, nur so“. Martin Pfaff schildert darin subtil, aber explizit die Verwerfungen in einer schwulen Community, in der jeder mit jedem mal was hatte oder gern hätte und alle inzwischen so verletzt sind, dass ständig einer tödlich beleidigt ist. Das ist furchtbar, aber nicht ohne Komik. Eine Feier als Tribunal – nur so.
Auch in „Die Sascha-Falle“ von Uli Sandau und Martina Nowatzyk geht es vordergründig um eine Feier. Arno und Benedikt feiern einmal mehr ihren „Jahrestag“. Doch diesmal ist ein imaginärer Dritter mit im Spiel, der titelgebende Sascha, in den sich beide unabhängig voneinander verliebt haben.
Und irgendwann sind alle älter und alt geworden. „War das jetzt Liebe?“ fragt Marion Schüller in ihrem ehelichen Minidrama. Während im ersten Teil Minni ihre Sicht auf die Ehe schildert, lernen wir im zweiten Teil Eberhards Perspektive kennen. Er spricht als Engel zu Minni, die ihn im Affekt aus dem Fenster gestoßen hatte. Vergebens: Die Jahre haben das Paar so fest zusammengeschweißt, dass selbst im Tod keine Trennung mehr möglich ist.
Doch es gibt auch sonnigere Perspektiven. Hier sind drei Komödien, die so manche Herausforderungen des Älterwerdens mit Anteilnahme, Witz und Charme behandeln:
Was macht man mit einem viel zu großen Haus? fragt sich Wally in dem Stück von Heiner Schnitzler, „Wallys wilde Villa“. So viele Erinnerungen … etwa an die verstorbene Schwester, die sie nicht loslassen kann. Und so viel Einsamkeit: Der Sohn ist offenbar nur an ihrem Geld interessiert. Ob die Vermietung einzelner Zimmer neues Leben ins Haus und sie selbst auf andere Gedanken bringen könnte? Gedacht, getan. Und bald wird es turbulenter, als Wally sich das vorgestellt hat …
Nicht selten sind erwachsene Kinder konventioneller als ihre Eltern. Zum Beispiel in Judith Mareike Mielkes, „Sag’s nicht Mama!“. Die verwitwete Mutter feiert ihren Siebzigsten, und die Kinder sind sich einig, dass sie „geschont“ werden muss. Doch die Vertuschungspläne sind purer Egoismus, sie gehen nicht auf, und am Ende ist es die Jubilarin, die ihre Familie mit einer Überraschung konfrontiert.
Alles in allem also „Ziemlich bestes Alter“? So heißt jedenfalls das neueste Stück von Axel Bungert. Eine Wohngemeinschaft „Ü60“ mit vier quicklebendigen Leuten, die wenigstens eines gemeinsam haben: Sie putzen nicht gern. Also wird ein Putzroboter angeschafft. Der putzt nicht nur gut, er hat auch ein „Romantikprogramm“ an Bord. Dieses Upgrade sorgt im Handumdrehen für Chaos – wie auch anders, wenn der Mensch mit einer KI eine Liebesbeziehung eingeht!
Und nicht zuletzt sind Liebe und Familie auch große Themen für Geschwister. Unsere Empfehlung dazu: Ein Kammerspiel für zwei Personen von Emil Kaschka, "Seit Jakob".
Bruder und Schwester haben schon lange nichts mehr miteinander zu tun, ihre Lebenswege haben sich getrennt. Doch nun ist der Vater pflegebedürftig. Wer kümmert sich um ihn - die Tochter oder der Sohn? Beide Geschwister müssen ihre Lebensentwürfe in die Waagschale werfen, und beide werden ehrlicher zueinander sein müssen, als sie es bisher waren.
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Ihr
Deutscher Theaterverlag
Gabriele Barth